Insgesamt fehlt ihr nach den Inflationsfehleinschätzungen in den Jahren 2022/23 jedes Vertrauen in einen vorausschauenden Analyserahmen, weshalb man geldpolitische Entscheidungen ausschließlich an den Daten von gestern ausrichten will. Offiziell nennt die EZB diese rückwärtsgewandte Geldpolitik „data-dependent“. Mit dem auch von uns erwarteten Rückgang der Inflation über den Sommer ist die Markterwartung realistisch, dass im September und Dezember zwei weitere Zinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte folgen.
Wege von EZB und Fed trennen sich 2025
Der Markt preist sowohl von der EZB als auch der Fed in den kommenden 24 Monaten Senkungen um zwei Prozentpunkte ein. Diese Erwartung ist unrealistisch. Zum einen gibt es für die USA gute Argumente, dass der neutrale Zins höher als vor Corona liegt, für Europa gilt dies nicht. Zum anderen wird die US-Fiskalpolitik unter Präsident Trump expansiv bleiben oder möglicherweise noch expansiver werden. In der Eurozone stehen mit Defizitverfahren für Frankreich und Italien die Zeichen auf Konsolidierung und der deutsche Haushalt 2025 ist mega-restriktiv. Somit wird die EZB gezwungen, durch Zinssenkungen die restriktivere Fiskalpolitik auszugleichen, während in den USA weiter steigende Staatsausgaben das Wachstum stützen und Zinssenkungsdruck von der Fed nehmen.
“Im Ergebnis wird die EZB in diesem Zyklus die Leitzinsen um rund 150 Basispunkte stärker senken als die Fed.”
Parität in Euro/Dollar und Underperformance von Euro-Aktien
Vor diesem Hintergrund wird ein starker Dollar den Euro im Lauf des kommenden Jahres auf die Parität drücken. An der Outperformance des US-Aktienmarktes dürfte sich nichts ändern. Neben restriktiven monetären Konditionen (Geld- und Fiskalpolitik) bleiben die Abhängigkeit von Energieimporten und China, eine Unterrepräsentanz des Technologiebereichs und die strukturell deutlich schwächere Profitabilität des Unternehmenssektors Europas Schwachpunkte.